Das Landhaus Mendelssohn in Berlin-Grunewald als historistische Anregung  zur äußeren und inneren Baustruktur des Schlosses Wiligrad - allerdings mit einer Flügelspreizung von 90°

(Der nachfolgende Text wurde einer Ausarbeitung von Joachim Müller  - zur Herkunft der Baustruktur des Schlosses Wiligrad - vom Nov. 2015 entnommen und im Juni 2017  geringfügig aktualisiert)

Vom königlich-preußischen Hofarchitekten Ernst Ihne war zwischen 1890 und 1893  im hessischen Kronberg (bei Frankfurt/Main) das Schloss Friedrichshof als Witwensitz von Viktoria Kaiserin Friedrich geschaffen worden.

Noch während der dortigen Bauarbeiten übernahm er einen weiteren Auftrag zum Errichten eines ähnlich

strukturierten Herrensitzes, diesmal allerdings in der Villenkolonie Berlin/Grunewald gelegen - also fast in der Nähe vom Wohnort  des Herzogs Johann Albrecht (Potsdam, Berliner Vorstadt - am Heiligen See).

 

Es handelte sich um das Landhaus eines engen, persönlichen Freundes vom Architekten Ernst Ihne - des

Bankiers Franz von Mendelssohn, eines hoch vermögenden Nachkommen der bedeutenden, deutsch-jüdischen Gelehrten- und Bankiers-Familie Mendelssohn, die schon vor Generationen zum evangelischen Glauben konvertiert war. Der Vater des Bauherrn war im Jahr 1888 vom "100-Tage-Kaiser" Friedrich - dem liberalen,  langjährigen Kronprinzen Friedrich  -  in den preußischen Adelsstand erhoben worden.

Franz von Mendelssohn gehörte zur Hochfinanz des Kaiserreiches und war als „Wirtschaftsfunktionär“ deutschlandweit  erfolgreich tätig.

 

Vom Verfasser der hier vorliegenden Baustruktur-Beschreibung (Joachim Müller, Schwerin) wird  vermutet,

dass es seitens des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg bzw. seines Architekten Albrecht Haupt  eine hinlängliche Kenntnis über die "englische Baustruktur" des Landhauses Mendelssohn gegeben hat - zumindest auf der Basis des  vom Architekten Ernst Ihne erstellten Bauentwurfs!

Die baustrukturellen Ähnlichkeiten zwischen dem Landhaus Mendelssohn (erb. 1894 bis 1896) und dem Schloss Wiligrad (erb. 1895 bis 1898) wären sonst kaum zu erklären!

 

 

Vermutete „Informationsquellen“ bzw. „Informationswege“:

 

- der kaiserliche Hofarchitekt Ernst Ihne, welcher den Herzog J. A. schon zum Bauvorhaben „Schloss Friedrichshof“ in Kronberg/Taunus unterrichtet hatte und nun auch zum Bau des Landhauses Mendelssohn

gerne und voller Stolz diverse Planungsinformationen zur Nachnutzung - durch den Herzog - preisgab

 

- Empfehlung des anglophilen, deutschen Kaisers Wilhelm II. an seinen guten Bekannten, wonach sich Herzog Johann Abrecht doch bitte  die Planungen des gleichfalls englandfreundlichen, kaiserlichen

Hofarchitekten Ernst Ihne für das stattliche Landhaus des Bankiers Franz von Mendelssohn in Berlin-Grunewald anschauen möge. Dieses Landhaus sei nach den „Prinzipien englischer Herrensitze“ konzipiert worden - noch

deutlicher als der Herrensitz seiner Mutter Victoria in Kronberg/Taunus.

 

 

Abb. 1) Landhaus Mendelssohn, Hofseite, Berlin-Grunewald, erbaut 1894 - 1896;

Zweiflügelanlage mit kleinen Treppenturm im Hofwinkel, Flügelspreizung NUR 90°,

Unterteilung in Herrschaftsflügel (rechts vom Turm) und Wirtschaftsflügel (links vom Turm)

Abb. 2) Landhaus Mendelssohn, „See“-Seite, Berlin-Grunewald, erbaut 1894 - 1896;

Unterteilung in Herrschaftsflügel (links) und Wirtschaftsflügel (rechts, mit Fachwerk-Obergeschoss);

Flügelbauten aufgrund der verschiedenartigen Nutzung in unterschiedlicher Höhe ausgeführt

(Das Landhaus Mendelssohn lag auf einem 22.000 m² großen See-Grundstück, das an zwei Seiten

- im nahezu rechten Winkel - vom Wasser berührt wurde, wodurch die langgestreckten, äußeren Seiten beider Flügel zum Wasser hin zeigten)

Abb. 3) Grundrisse (EG u. OG) vom Landhaus Mendelssohn in der um 1900 veröffentlichten Originalausführung;

Die Grundrisse im Erdgeschoss u. im Obergeschoss zeigen die zweigeschossige Treppenhalle als Zentralraum des Herrschaftsflügels, um den herum in U-Form alle anderen Gesellschaftsräume (EG) oder Wohnräume (OG) der herrschaftlichen Familie angeordnet waren. Im Wirtschaftsflügel befinden sich der Küchentrakt (EG) und der Gästetrakt (OG). Im Prinzip entspricht die Baustruktur des Landhauses der von "Englischen Herrensitzen"!

Abb. 3a) Landhaus Mendelssohn, Berlin-Grunewald, Grundriss ERDGESCHOSS,

erbaut 1894/96 vom kaiserlichen Hofarchitekten Ernst Ihne;

Zweiflügelanlage mit kleinen Treppenturm im Hofwinkel, Flügelspreizung NUR 90 °

 

Besonderheit:

- strikte Unterteilung in Herrschaftsflügel und Wirtschaftsflügel (Küchentrakt)

- zweigeschossige Treppenhalle

- Grundrissfläche der Treppenhalle NICHT durch Galerie-Einbauten eingeschränkt

Abb. 3b) Landhaus Mendelssohn, Berlin-Grunewald, Grundriss OBERGESCHOSS,

erbaut 1894/96 vom kaiserlichen Hofarchitekten Ernst Ihne,

Zweiflügelanlage mit kleinem Treppenturm im Hofwinkel, Flügelspreizung NUR 90 °

Besonderheit:

- strikte Unterteilung in Herrschaftsfl. u. Wirtschaftsflügel (Fremdenzimmer)

- zweigeschossige Treppenhalle mit 2-seitig umlaufender Galerie

- Galerie wurde in der Höhe des Obergeschosses komplett nach außen auf die Deckenbalken der umliegenden

Repräsentationsräume verlegt, so dass der Erdgeschossgrundriss über die gesamte Hallenhöhe hinweg, frei von Einbauten geblieben ist (Ausnahme: ein kurzer Verbindungssteg im Hallenwinkel zwischen den beiden, sich hier treffenden Galeriegängen)

Abb. 4) Landhaus Mendelssohn, Villenkolonie Berlin-Grunewald, erbaut 1894/96,

Treppenaufgang der zweigeschossigen Treppenhalle (mit zweiseitig umlaufender Galerie);

Treppenhallen-Fenster wurde so eingesetzt, dass es in seiner Höhe quasi das obere Drittel des Erdgeschosses und die unteren zwei Drittel des Obergeschoss einnimmt (nur möglich, weil an der Außenwand - im Fensterbereich - kein Anbau vorhanden ist, der über die gesamte Höhe des Erdgeschosses hinweg reicht - so wie beim Schloss Wiligrad, dem Herrensitz des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg, am Schweriner Außensee)

Abb. 5) Landhaus Mendelssohn, Villenkolonie Berlin-Grunewald, erbaut 1894/96,

zweigeschossige Treppenhalle mit zweiseitig umlaufender Galerie,

die Galerie wurde in der Höhe des Obergeschosses komplett nach außen auf die Deckenbalken der umliegenden Repräsentationsräume verlegt, so dass der Erdgeschossgrundriss über die gesamte Hallenhöhe hinweg, frei von

Einbauten geblieben ist (Ausnahme: ein kurzer Verbindungssteg im Hallenwinkel zwischen den beiden, sich hier treffenden Galeriegängen)

 

Zwischen dem Landhaus Mendelssohn und dem Schloss Wiligrad bestehen – neben einer gewissen Vergleich-barkeit in den Netto-Grundrissflächen (Landhaus Mendelssohn ca. 700 m² u. Schloss Wiligrad ca. 900 m²) - folgende äußerliche Gemeinsamkeiten:

 

 - beide Gebäude verfügen im Prinzip über ein ähnliches Erscheinungsbild bzw. über eine tendenziell ähnliche Silhouette, wobei der Treppenturm am Landhaus Mendelssohn wesentlich kleiner ausfällt und das Gesamtbauwerk nicht dominiert

 

- beide Gebäude sind als Zweiflügelanlage mit einem Treppenturm im Hofwinkel errichtet

 

- beide Gebäude verfügen über einen Herrschaftsflügel und einen dazu separaten Wirtschaftsflügel sowie über unterschiedliche Architekturstile an den beiden Flügeln

 

Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen dem Landhaus Mendelssohn und dem Schloss Wiligrad besteht darin, dass der Hofwinkel des Landhauses Mendelssohn - in der Art von niederen Adelssitzen aus der Renaissancezeit - nur 90° beträgt, wohingegen der Hofwinkel des herzoglichen Schlosses Wiligrad eine weite Flügelspreizung von 135° aufweist; ebenso, wie das vom Hofarchitekten Ernst Ihne errichtete Schloss Friedrichshof in Kronberg!

 

Anmerkung:

Weshalb sich der Architekt Ernst Ihne oder der Bauherr beim Landhaus Mendelssohn für eine 90°- Flügelspreizung und damit gegen einen 135°- Winkel entschieden haben, ist nicht nachvollziehbar, zumal einige andere Details - wie z.B. die Gestaltung des Giebels auf der Hofseite, nahe des Eingangs-Bereiches (bzw. über dem Hallenfenster) - ähnlich ausgeführt sind, wie in Kronberg.!

Eine Frage unzureichender Platzverhältnisse kann es nicht gewesen sein (Grundstücksgröße 22.000 m²), zumal bei eine 135°- Spreizung noch mehr Abendsonne auf die Veranda und den Balkon gefallen wäre!

Vielleicht bestand der Bauherr Franz von Mendelssohn auf die „90°-Renaissance-Spreizung“, weil er sich davor scheute, die  "hochadelige bzw. kaiserliche" Flügelspreizung des Schlosses Friedrichshof auch bei seinem großbürgerlichen bzw. "neuadligen" Bankier-Landsitz in Anwendung zu bringen?

 

Hinweis zur Innenstruktur des Gebäudes:

 

- Im Herrschaftsflügel ist eine zweigeschossige Treppenhalle vorhanden – fast in der Art, wie beim Schloss

Wiligrad, weil die Galerie nicht in den freien Luftraum der Halle hineingezogen wurde (und damit auf Konsolen

oder Säulen gesessen hätte) sondern weil die beiden Galeriegänge komplett auf den Deckenbalken der umliegenden Erdgeschoss-Räume ruhen.

 

- Im Unterschied zum Schloss Wiligrad sind hier freilich nicht alle Repräsentations-Räume im Erdgeschoss direkt von der Halle aus zu betreten.

Wegen des (von vornherein gewählten) rechteckig-länglichen Grundrisses des Herrschaftsflügels (ähnlich wie beim Schloss Friedrichshof) musste beidseitig der Halle je ein Flur-Raum (d.h. ein bloßer Durchgangsraum) angeordnet werden, damit das Herrenzimmer (auf der einen Seiter der Halle) und der Speisesaal (auf der anderen Seite der Halle) zu erreichen sind.

 

- Der Wirtschaftsflügel umfasst im Erdgeschoss den Küchentrakt incl. Anrichtraum und im Obergeschoss den

Gästetrakt (Gemeinschaftliche Badezimmer-WC-Kombination in angemessener Raumgröße, zwei getrennte Einzelzimmer und ein Zweizimmer-Appartement).

Nachweis der Bildquellen

Abb. 1) Landhaus des Bankiers Franz von Mendelssohn (Palais Mendelssohn) in Berlin-Grunewald,

Treppenturm im Hofwinkel, unterschiedliche Architekturstile zwischen Herrschafts- und Wirtschaftsflügel an den Obergeschossen, den Querhäusern  und im Giebelbereich; erbaut 1894/96

 

Architekt  Ernst Ihne Berlin, Hofarchitekt des deutschen Kaisers     

 

Die Datei stammt aus dem Wikipedia-Artikel „Palais Mendelssohn“.

 

Ursprüngliche Quelle: Die Villencolonie Grunewald (Bildmappe), Serie 2: Facaden, Innenräume u. Grundrisse der interessantesten Villen (u. a. vom Landhaus Mendelssohn Herthastrasse 3, Tafel 64 -97), hier Tafel 64 

Entwurf: Hofarchitekt Ernst Ihne

 

Herausgeber u. Photograph: Egon Hessling Berlin u. New York, 1900

 

Bildname unter Wikipedia: Landhaus Mendelssohn, Empfangsseite mit Hofumfahrt

 

Bildurheber: Egon Hessling, um 1900

 

Unter Wikipedia eingescannt von Joachim Müller am 10.02.2016

 

Die Regelschutzfrist für das von dieser Datei gezeigte Werk ist nach den Maßstäben des deutschen, österreichischen und schweizerischen Urheberrechts (70 Jahre nach dem Tod des Urhebers) vermutlich abgelaufen. Es ist daher vermutlich gemeinfrei.

Abb. 2) Landhaus Mendelssohn, „See“-Seite, Berlin-Grunewald, erbaut 1894 - 1896;                                       Unterteilung in Herrschaftsflügel (links) und Wirtschaftsflügel (rechts, mit Fachwerk-Obergeschoss);

Flügelbauten aufgrund der verschiedenartigen Nutzung in unterschiedlicher Höhe ausgeführt

 

übrige Angaben wie Abb. 1; jedoch Tafel 74

Abb. 3) Grundrisse (EG u. OG) vom Landhaus Mendelssohn in der um 1900 veröffentlichten Originalausführung;

Die Grundrisse im Erdgeschoss u. im Obergeschoss zeigen die zweigeschossige Treppenhalle als Zentralraum des Herrschaftsflügels, um den herum in U-Form alle anderen Gesellschaftsräume (EG) oder Wohnräume (OG) der herrschaftlichen Familie angeordnet waren. Im Wirtschaftsflügel befinden sich der Küchentrakt (EG) und der Gästetrakt (OG). Im Prinzip entspricht die Baustruktur des Landhauses der von "Englischen Herrensitzen"!

 

übrige Angaben wie Abb. 1; jedoch Tafel 81

Abb. 3a) Landhaus Mendelssohn, Berlin-Grunewald, Grundriss ERDGESCHOSS,

erbaut 1894/96 vom kaiserlichen Hofarchitekten Ernst Ihne;

Zweiflügelanlage mit kleinen Treppenturm im Hofwinkel, Flügelspreizung NUR 90 °

 

Die Abbildung 3a ist eine Vergrößerung der Abb. 3.

Gegenüber dieser wurden zeichnerische Hinweise zur Unterteilung in Herrschaftsflügel und Wirtschaftsflügel eingefügt.

 

übrige Angaben wie Abb. 1

 

Abb. 3b) Landhaus Mendelssohn, Berlin-Grunewald, Grundriss OBERGESCHOSS,

erbaut 1894/96 vom kaiserlichen Hofarchitekten Ernst Ihne,

Zweiflügelanlage mit kleinem Treppenturm im Hofwinkel, Flügelspreizung NUR 90 °

 

Die Abbildung 3b ist eine Vergrößerung der Abb. 3.

Gegenüber dieser wurden zeichnerische Hinweise zur Unterteilung in Herrschaftsflügel und Wirtschaftsflügel eingefügt.

 

übrige Angaben wie Abb. 1

Abb. 4) Landhaus Mendelssohn, Villenkolonie Berlin-Grunewald, erbaut 1894/96,

Treppenaufgang in der zweigeschossigen Treppenhalle (mit zweiseitig umlaufender Galerie)

 

übrige Angaben wie Abb. 1, hier jedoch Tafel 75

Abb. 5) Landhaus Mendelssohn, Villenkolonie Berlin-Grunewald, erbaut 1894/96,

zweigeschossige Treppenhalle mit zweiseitig umlaufender Galerie

 

übrige Angaben wie Abb. 1, hier jedoch Tafel 76